Engel auf vier Pfoten by Katz Jon

Engel auf vier Pfoten by Katz Jon

Autor:Katz, Jon [Katz, Jon]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2015-10-19T22:00:00+00:00


Zehn

Rose war in einen schwarzen Nebel eingehüllt. Alles um sie herum drehte sich. Sie lag ausgestreckt auf einem kleinen Schneehügel. Ihre Sinnesorgane waren lebenswichtig für sie, und noch nie war sie so vollkommen von ihnen abgeschnitten gewesen. Die Schmerzen beim Atmen wurden bald unerträglich, und ihr Kopf tat ihr furchtbar weh. Sie zappelte mit den Beinen, dann fing sie reflexartig an zu bellen, immer schwächer, bis sie schließlich ganz still wurde.

Sie schloss die Augen, atmete ruhiger und versuchte zu verstehen, was gerade mit ihr passierte. Sie konnte das Meer von Schwarz, auf dem sie dahinzutreiben schien, nicht begreifen, sie war ganz benebelt von den flimmernden Bildern in ihrem Kopf und dem Klang ihres schwächer werdenden Herzschlags, von der dunklen Wolke, die sie einzuhüllen schien.

Rose teilte Zeit nur in Licht und Dunkelheit ein, in den Rhythmus ihrer Mahlzeiten und den der anderen Tiere auf der Farm, in das Vogelgezwitscher am Morgen, das Schreien der Käuzchen und das Heulen der Kojoten. Jetzt war sie vollkommen durcheinander, ihre Anhaltspunkte und ihre Sinne waren gleichermaßen nutzlos. Schnee und Eis hatten keinen Geruch, und sie war so benommen, dass sie um sich herum nichts als tiefschwarze Dunkelheit wahrnahm.

Rose verfiel nicht in Panik. Sie fühlte, wie sie immer tiefer in die Erde hineinsank, und gab resigniert jeden Widerstand auf. Der Tod war weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes, aber er war etwas ganz Besonderes. Sie spürte, wie der Tod zu ihr kam, genau wie sie es bei Katie gespürt hatte. Sie nahm den Tod hin und träumte von der Arbeit, verfiel beinahe in eine Art Trancezustand – eine Ebene jenseits von Gefühl und Angst. Rose wusste nicht, wie lange sie so dalag. Nach einer Weile war sie zu schwach, um zu kämpfen, konnte sich nicht mehr bewegen. Sie spürte nur Hunger und Durst.

Sie schloss die Augen. Die Bilder in ihrem Kopf zogen nun langsamer vorbei – ihre Geschwister, ihre Mutter, die Schafe, die Farm, Sam. Sie fing an zu träumen. Sie sah Schafe, die grasten und umherliefen. Sie witterte Tiere in den Wäldern, Knospen an Bäumen und Blumen, den Duft von Lämmern. Sie träumte davon, wie sie streitlustige Widder zur Vernunft brachte, wie sie mit dem Farmer einen Spaziergang über die Felder machte. Sie träumte von dem süßen Gefühl, wenn sie abends die Schafe zurück in den Stall oder auf die Weide trieb, wenn die Sonne unterging und der Farmer das Tor schloss und wie zu sich selbst »Gute Arbeit, Mädchen« sagte. Wie warm und gut das klang und wie erleichtert sie war, wenn sie die Schafe sicher zurückgebracht hatte und sich jetzt bei Sam im Farmhaus hinlegen und ausruhen konnte. Sie hörte, wie Sam nach ihr rief, wie Katie mit ihr redete, sah ihre eigene Mutter vor sich, wie sie ihr das Fell leckte.

Sie träumte davon, ein Welpe zu sein, träumte von fiependen Fledermäusen, von Bienen in ihren Bienenstöcken, von Würmern im Boden, und dann hatte sie einen seltsamen Traum von dem wilden Hund, einem jungen Hund, der Kühe aus dem Stall trieb, zwischen ihnen herumlief, gelegentlich nach ihnen schnappte und sie umrundete.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.